Eclipse 29 Mar 2006 – Türkei

[Alten Artikel ins Blog übernommen]

Vorgeschichte

Sonnenfinsternis. Europa. Deutschland. 1999. Ein Jahrhundertereignis. Sicherlich, wenn man nicht zu den “Eclipse Chasers” gehört und rund um die Welt reist, um eine totale Sonnenfinsternis zu erleben. Es war also eine einmalige Gelegenheit, das in Europa, noch dazu in Deutschland, am 11. August 1999 erleben zu können.

Tja, aber dann hatten die Wettergötter offensichtlich beschlossen, dass nach den beiden letzten Jahren mit einem wolkenfreien Himmel am 11. August nun endlich mal Schluss sein muss …

Um vier Uhr morgens ging es los in Köln, um vor dem ganzen Ansturm der Sonnenfinsternisbegeisterten in Süddeutschland zu sein. Ziel direkt auf der Zentrallinie etwas südlich von Karlsruhe. Schließlich fanden wir einen schönen Platz direkt am Rhein etwas westlich von Rastatt. Das Wetter sah leider nicht sehr gut aus, Richtung Süden und Osten starke Bewölkung, lediglich Richtung Nordwesten ist etwas zu sehen, das auf kleine Lücken hindeutet.

Wir fuhren weiter Richtung Westen nach Frankreich. Das war keine gute Entscheidung, denn dort kamen wir durch die Verkehrssitutation nur schlecht voran und gerieten später in starke Regengebiete, versuchten uns dann in Richtung Saarbrücken durchzuschlagen.

Und das Schlechtwettergebiet aus Frankreich, es kam mit uns nach Saarbrücken. Die Totalität, wir haben Sie an einer Tankstelle direkt an der ersten Autobahnabfahrt erlebt, zusammen mit einem Gewitter-Wolkenbruch. Zu beobachten war nur, wie der graue Himmel für zwei Minuten nachtschwarz wurde, dann war es vorbei.

Die Rückreise wurde zu Stop-and-go auf den Autobahnen. Insgesamt über 700 km Stau wurden gemeldet. Und so waren wir erst abends zurück in Köln. Fast 800 km Tour d’Eclipse, leider ohne das eigentlich gewünschte Erlebnis.

Enttäuschung auf breiter Front. Dennoch: die Sehnsucht nach der totalen Sonnenfinsternis blieb. Nur reisen müsste man jetzt etwas weiter, 2001 nach Afrika oder 2006 in die Türkei für die nächsten halbwegs erreichbaren totalen Finsternisse.

Neuer Versuch

Danach geriet das Thema für mich wieder etwas in Vergessenheit, aber irgendwie schien sich da doch ein Gedanke soweit festgesetzt zu haben, dass ich pünktlich zum Jahreswechsel 2006 wieder anfing, nach den nächsten Sonnenfinsternissen Ausschau zu halten. Ein Auslöser war sicherlich auch die ringförmige Sonnenfinsternis vom 03.10.2005, bei der ich in der Nähe von Köln zumindest einen “partiellen” Eindruck bekam.

Kurzentschlossen habe ich dann im Januar eine Sonnenfinsternisreise nach Konya in der Türkei gebucht.

Reise zur Sonnenfinsternis am 29. März 2006

26.3. Es geht los

Im Internet noch mal die Wetterprognose aufrufen. Fast schone eine Hiobsbotschaft, steht da etwas von einer in der Simulation für Mittwoch aufziehenden Regenfront. Das wird doch nicht wieder schief laufen …

Auf zum Flughafen Köln-Bonn. Ein ziemlich schwerer Koffer, das Stativ ist nicht gerade ein Fliegengewicht, und ein Fotorucksack ganz knapp unter der Gewichtsgrenze für das Handgepäck fordern Ihren Tribut. 83 Euro für 5 kg Übergepäck sind bei den Kranichfliegern zu berappen. Das macht den eh nicht ganz billigen Flug über München nach Ankara heftig teuer. Aber was hab ich für eine Wahl.

Nach einem kurzen Flug in einer angenehm leeren Maschine lande ich in München, die erste kleine Etappe wäre geschafft. Durch einen menschenleeren Flughafen geht es zum nächsten Gate, hier ist noch etwas Wartezeit zu überbrücken. Und hier erkennt man auch schon deutlich die Sonnenfinsternistouristen.

Kurz vor dem Einsteigen lerne ich Janine kennen, gleicher Transferbus und gleiches Hotel schaffen die erste Verbindung.

Dann erstmal für zweieinhalb Stunden ab in den Flieger nach Ankara, diesmal war die Maschine bis zum letzten Platz voll.

27.3. Ankara nach Konya

Kurz nach drei Uhr Ortszeit die Landung in Ankara. Nach der Passkontrolle Einfangen der Koffer an einem Minirollband. Wunderbar, alles angekommen, die erste Hürde ist genommen.

Nachdem ich Janine während des Fluges und nach der Landung aus den Augen verloren habe, treffen wir uns jetzt wieder. Gemeinsam geht es zum Ausgang, erstmal niemand von unserem Reiseveranstalter zu sehen, dann taucht Mehmet auf, der uns auch in den nächsten Tagen als Reiseleiter begleiten wird.

Kurzes Warten auf den Bus, dazu gesellt sich noch Frank und damit ist unsere wunderbare kleine Dreiergruppe perfekt aufgestellt für die nächsten Tage.

Ab in den Bus und auf nach Konya. Über vier Stunden Busfahrt mit einem Zwischenstopp für die menschlichen Bedürfnisse. Hier zeigt sich, dass die Türkei recht gut in die EU passt: beim Abkassieren an den Toiletten stehen sie den Deutschen in nichts nach, wie wir hier und auch bei vielen weiteren Stopps während der nächsten Tage bemerken.

Während der Fahrt in den Morgen hinein ist eine wunderschöne Morgendämmerung zu sehen, mit einer schmalen Sichel des abnehmenden Mondes etwas über dem Horizont. Hoffentlich ein gutes Omen für die kommenden Tage.

Um acht Uhr kommen wir dann in Konya an. Der erste Eindruck ist die Zementfabrik mit ihrem charakteristischen Geruch und der eher tristen Umgebung. Bei den Ausflugsfahrten der nächsten Tage werden wir hier noch oft vorbei kommen.

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Die erste Station ist das Hotel Rixos für die dortigen Gäste. Unsere Koffer können noch gerade vor dem Ausladen gerettet werden. Danach weiter zum Özkaymak Hotel. Eigentlich haben Janine und ich auf der Buchungsbestätigung das Özkaymak Park Hotel ein paar Straßen weiter, aber dann werden wir alle drei im Özkaymak einquartiert. Auch gut, war so im Nachhinein betrachtet die viel bessere Lösung.

Die Zimmer können wir direkt beziehen und auch Frühstück gibt es für uns. Leider hatte die Reiseleitung nicht verraten, dass das Hotel dann 16 Türkische Lira für das Frühstück haben will. Nun gut, da hätten wir vielleicht nachfragen sollen. Außerdem wird eine Lira Trinkgeld “automatisch” einbehalten. Irgendwie fehlt die Energie für großartige Aufstände.

Nach etwas Zeit zum vollständigen Auspacken erkunden wir dann zu Dritt die nähere Umgebung des Hotels, laufen ein wenig über die Straßen und den nahe gelegenen moslemischen Friedhof und sind dann ziemlich fertig, weil der fehlende Schlaf schließlich doch seinen Tribut fordert.

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Erst gibt es noch einen kleinen Einkaufsbummel, um uns in einem Supermarkt mit Getränken und ein paar Schokoriegeln zu versorgen. Hier fällt dann deutlich auf, dass Konya eine konservative, religiöse Stadt ist. Die Kassiererinnen im Supermarkt sind mit einheitlichem Kopftuch uniformiert.

Ansonsten fühlt man sich auf den Straßen nicht so fremd. Spontan würde ich sagen, dass es dort nicht so viel anders als in einem der türkisch geprägten Stadtteile Kölns aussieht. Da Konya aber im Vergleich mit anderen türkischen Städten eine sehr konservative Stadt ist, wird klar, dass die Türkei viel moderner als unser Bild von ihr ist.

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Schließlich der Versuch am Nachmittag, noch ein paar Stunden zu schlafen. Ohne großen Erfolg. Spätestens als die Gebetsrufe aus einer der vielen Moscheen im Umkreis herüber schallen, bin ich wieder wach.

Nach dem Abendessen findet dann eine erste Informationsveranstaltung mit allen Gästen der Sonnenfinsternisreise statt. Und da die Wetterprognose am Montag wieder ganz exzellent ist, sind viele zufriedene Gesichter zu sehen.

Die spontane Idee unseres Reiseveranstalters, noch eine Nachtbusfahrt zum Sternenhimmel zu machen, natürlich an der Zementfabrik vorbei, ist ein glatter Mißerfolg. Wenige Kilometer aus Konya heraus und direkt an einer der Landstraßen ist der Sternenhimmel wenig imposant, da viel zu viel Umgebungslicht durch Konya und die Straße vorhanden ist. Janine hatte hier den besseren Riecher und blieb im Hotel.

28.3. Tour nach Kappadokien

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Nach einen wundervollen Sonnenaufgang wird für den Dienstag ein Tagesausflug nach Kappadokien, dem “Land der schönen Pferde” angeboten. Und natürlich nehmen wir die Gelegenheit wahr, uns diese bizarre Landschaft anzuschauen.

Also wieder los mit dem Bus, das Zementwerk am Ortsausgang von Konya ist jetzt schon fast lieb gewonnene Wegmarkierung.

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Nach einiger Zeit verlassen wir langsam die Ebene von Konya und kommen in bergigere Regionen. Kurz vor Aksaray kann man bei einem kurzen Halt einen Blick auf den Hasan Dagi werfen, einen der mächtigen Vulkanberge, die Aksaray umgeben.

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Ein kurzer Stopp in Aksaray, die üblichen Gebühren für gewisse Örtchen, dann geht es auf einer Nebenstrecke in die Berglandschaft. Vorbei an ersten bizarren Felsformationen erreichen wir das Dorf Yaprakhisar und sehen hier die wundervolle Symbiose von Bergdorf und in den Fels gehauenen Wohnhöhlen, das typische Bild für Kappadokien. Ein weiterer Stopp im Ihlara-Tal kurz danach erlaubt einen Blick in die Schlucht Melendiz Çaji.

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Nächstes Ziel ist Derinkuyu mit der unterirdischen Höhlenstadt, gebaut als Zuflucht in antiker Zeit. Zusammen mit den anderen Touristenhorden begeben wir uns in engen Gängen etliche Stockwerke tief unter die Erde. Bis zu 20.000 Menschen sollen hier einst Zuflucht gefunden haben, ganz so viele Touristen sind es jedoch nicht. Eng und niedrig ist es auf jeden Fall, da zu Zeiten der Erbauer die normale Körpergröße bei 1,55 m lag. Entsprechend anstrengend ist der Aufstieg in gebückter Gangart. Irgendwie bin ich ziemlich froh, das Tageslicht wieder zu erblicken …

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Und wieder rein in den Bus. Erstmal zum Mittagessen in der Nähe von Uçhisar. Das reservierte Ausflugslokal bietet recht leckeres Essen, aber hat eine recht – nun, sagen wir mal – interessante Vorgehensweise beim Service. Vor der Weiterfahrt ergibt sich noch die Gelegenheit, einen Blick mit und ohne Kamera über die Stadt zu werfen, auch hier wieder das bizarre Zusammenspiel von Häusern und ausgehöhlten Felsen, sowie natürlich der prominente Burgfelsen.

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Weiter nach Göreme und dort in das berühmte Höhlenkirchental, jetzt ein großes Freilichtmuseum und von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. Auch hier Massen von Touristen. Insbesondere durch die Elmali Kilise (Apfelkirche) mit ihren wunderschönen Fresken aus dem frühen 11. Jahrhundert schieben sich die geführten Touren im Viertelstundentakt, so auch wir. Der nachfolgende “Guide” einer britischen Gruppe hat es besonders eilig und kommentiert mein letztes Foto beim Rausgehen mit ziemlich harschen Worten.

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Nichtsdestotrotz ist dieses antike Kirchen- und Klosterzentrum absolut sehenswert, allein schon die bizarren Felsen, die in vielfältiger Art und Weise als Kirchen, aber auch als profane Räumlichkeiten wie Küchen und Speiseräume ausgestaltet wurden.

Nach dem längeren Aufenthalt wird es jetzt schon etwas spät und die meisten von uns wären wahrscheinlich gerne direkt in das Hotel zurück gefahren. Auf dem Programm stehen jedoch noch drei weitere Stopps.

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Zunächst das Tal von Zelve mit vielen ganz wundervoll bizarren Tuffsteinfelsen, die die Erosion im Laufe der Zeit gestaltet hat. Und auch vielen in Fels gehauenen Wohnräumen und Kirchen, hier war ebenfalls eines der frühen christlichen Zentren.

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Ein Besuch einer Töpferei in der Nähe von Zelve schließt sich an, wobei natürlich der Verkauf von Souvenirs nicht fehlen darf. Aber ich will mein Übergepäck bestimmt nicht mit Wandtellern vergrößern.

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Und ein letzter Stopp vor der endgültigen Rückfahrt mit einem schönen Panoramablick über die Landschaft, den genauen Ort habe ich bei der Rekonstruktion der Tour nicht mehr ermitteln können.

Kurz nach neun Uhr abends sind wir dann wieder im Hotel, über 600 km Busfahrt an diesem Tag waren reichlich. Schnell noch ein Sprint hinüber in den Supermarkt, um die Wasservorräte für den morgigen Tag aufzufrischen, was leider etwas länger dauert, da kurz vor zehn Uhr abends hier die Haupteinkaufszeit zu sein scheint.

Netterweise wartet man im Hotel mit dem Abendessen auf uns und selbst ich bekomme kurz nach zehn noch etwas zwischen die Zähne.

29.3. Der Tag der Schwarzen Sonne

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Am Mittwoch Morgen ist es dann soweit. Unsere Gruppe aus dem Özkaymak Hotel zieht mit Sack und Pack, Teleskopen, Stativen, Kameras und diversem anderen Zubehör in den bereitstehenden Bus. Nach der üblichen Wartezeit geht es Richtung Osten raus aus Konya, wieder an der Zementfabrik vorbei, und irgendwann biegt der Bus ab auf eine Schotterstraße und bringt uns zu unserem Standort in der Nähe der Örtchen Akörenkisla und Büyükburnak.

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Dieser Standort ist von der Reiseleitung gut gewählt, ein leichter Hügel mit fast perfekter Rundumsicht. Und für die Bergsteiger auch noch ein etwas höherer Hügel direkt südlich davon. Wir, Frank, Janine und ich, entscheiden uns für den kleineren Hügel und schleppen unseren Kram nach oben.

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Jetzt ist erstmal Warten angesagt, schließlich startet die partielle Phase erst in zwei Stunden. Zeit genug also, um in aller Ruhe Stativ und Kamera aufzubauen. Und noch ein paar Bilder der Verrückten auf dem Hügel zu machen. Oder eine SMS zu schreiben.

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Die Nervosität steigt. Aus den kleinen Wolkenfetzen beim Start ist jetzt eine Schleierbewölkung geworden, die glücklicherweise den Blick auf die Sonne nicht verstellt, sondern nur das Licht etwas dämpft. Dennoch, da wird doch nicht etwa irgendwo eine Schönwetterwolke aufziehen …

Also weiter aufbauen, Objektiv ausrichten, einen Blick mit Sonnenfilter auf die unverfinsterte Sonne werfen und eine Testbelichtung machen.

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Dann kommen noch ein paar weitere Busse und neue Sonnenfinsternishungrige verteilen sich im Gelände. Am Ende sind es insgesamt acht Reisebusse und ein Kleintransporter mit insgesamt ca. 300 Finsternisjägern.

So langsam wird es Ernst. Janine und Frank holen die Lunchpakete und Getränke ab, ein Picknick zwischen Felsen und Teleskopen folgt.

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“Kontakt!”, die großen Teleskope vermelden es um 12:43 zuerst, dann kann man auch im Kamerasucher und kurz darauf mit sofibebrilltem Auge erkennen, wie der Mond anfängt, rechts unten eine Ecke der Sonne anzuknabbern.

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Ein wenig löst sich die Spannung, zum einem scheint die Schleierbewölkung relativ konstant zu sein und die Sicht verschlechtert sich nicht, zum anderen kann man jetzt mit dem Fotografieren anfangen. Mit den Teleskopen kann man auch – trotz weitgehendem Minimum der Sonnenaktivitäten – drei Sonnenflecken auf ca. 10 Uhr entdecken, kleines Highlight für die partielle Phase.

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Ab jetzt heißt es kontinuierlich Objektiv und Kamera in Richtung Sonne nachzustellen. Da ich mit einem normalen Kugelkopf arbeite, ist das nicht ganz so einfach. Die aufwändigen Montierungen der Astrofreaks haben da schon Vorteile. Auf jeden Fall nachher nur nicht die Sonne aus dem Sucher verlieren.

Eine Weile tut sich erstmal wenig. Der Mond knabbert weiter an der Sonne, die Helligkeit ändert sich für das Auge überhaupt nicht. Erst ab einer Bedeckung von ca. 60-70 % wird es langsam dunkler.

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Es ist eine seltsame Dunkelheit, die jetzt beginnt und die nichts mit der gewöhnlichen Dämmerung zu tun hat. Während sich bei einer normalen Dämmerung die Farben in Richtung warm verschieben, erscheint es jetzt so, als würde jemand am Computer anfangen, die Sättigung aus dem Landschaftsbild herauszunehmen. Das Licht wird zusehens fahler.

Aber immer noch ist es recht hell. Dann scheint sich der bis jetzt sehr gemütliche Prozess zu beschleunigen. Die Sonnensichel wird schmaler und schmaler, es wird merklich kühler und nun ist es soweit.

Am Himmel ist nur noch eine ganz schmale Sichel zu sehen, also Sonnenfilter runter vom Objektiv und Belichtungszeit auf 1/1000 zum Start der Belichtungsreihe.

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Und da passiert es auch schon, die Sichel zerfällt in einzelne Perlen, ein letztes Aufblitzen und dann ist die Totalität da.

Man hätte währenddessen den Kernschatten mit mehr als Mach 2 über die Landschaft anfliegen sehen können, dafür habe ich jedoch keine Augen.

Am Himmel sieht man nun die Korona in ihrer leuchtenden Pracht. Ein wenig matschig vielleicht, bedingt durch die Schleierwolken, aber das macht in dem Moment überhaupt nichts. Endlich sehen wir eine totale Sonnenfinsternis, nach der großen Enttäuschung von 1999 ist es jetzt ein Erfolg. Ein unbeschreibliches Gefühl.

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Protuberanzen kann man gut sehen, auch mit bloßem Auge. Freudenschreie gehen durch die Gruppen, einige klatschen, nicht wenige heulen.

Im Nachhinein fällt es schwer, sich an die Flut der Sinneseindrücke zu erinnern und das zu beschreiben. Zwischen durch den Sucher schauen, Auslöser betätigen, Kamera nochmal nachjustieren und Blick mit bloßem Auge zur schwarzen Sonne mit der wunderschönen Korona bleibt zu wenig Zeit. Zumindest einen Blick auf den Horizont werfe ich. Es ist wie ein Sonnenuntergangshorizont mit gelblich fahlem Licht, das rings um uns herum, 360 Grad! Direkt über uns ist der Himmel nachtschwarz. Irgendjemand schreit, “Dort ist die Venus!”.

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In der Erinnerung erscheint die Zeitspanne der Totalität ganz kurz, vom Gefühl her vielleicht einige zehn Sekunden. Tatsächlich sind es 3 Minuten 42 Sekunden laut NASA Bulletin, von 13:59 bis 14:02 Uhr Ortszeit. Während dieses Zeitraums ist rationales Handeln schwierig, auch mit meiner Belichtungsreihe für die Korona bin ich zwischendrin aus dem Tritt gekommen.

Was will ich weiter dazu schreiben? Die Totalität ist einfach ein umwerfendes, zutiefst beeindruckendes, wunderschönes Ereignis. Zum Heulen schön. Für einen Augenblick wird auf das Eindruckvollste das Uhrwerk unseres Sonnensystems sichtbar.

Wenn ich mir auf dieser Erde nur eine Sache anschauen dürfte: das wär’s.

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Schließlich können wir auch rechts unten Protuberanzen erkennen und damit wird klar, die totale Phase neigt sich dem Ende zu. Dann geht es wieder sehr schnell, ein erstes Aufblitzen eines Diamantrings und ehe man sich versieht, ist die gleißend helle Sonnensichel wieder am Himmel. Also wieder rauf mit dem Sonnenfilter und den Sofibrillen. Mein Versuch, den Diamantring zu fotografieren, scheitert, ich bin einfach nicht schnell genug.

Ein seltsames Gefühl, wenn die Totalität vorbei ist. Eine Kreuzung zwischen Entspannung und Sehnsucht. Und das wirklich erste, was man dann denkt: “Wo findet die nächste statt?”

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Ab jetzt ist es nur noch Abbauroutine, die Anspannung ist ganz vorbei, und ich muss mich fast zwingen, noch in regelmäßigen Abständen Aufnahmen der ja noch folgenden partiellen Phase zu machen, immerhin ja noch 1 1/4 Stunden.

Merklich kühler ist es direkt nach der Totalität, nach einer Messung ist die Temperatur zum Ende der Totalität um 10 Grad gefallen.

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Aber alles normalisiert sich wieder, das Licht wird wieder hell und um ums herum ist wieder die zentrale anatolische Hochebene mit einigen kargen Hügeln. Lediglich eine kleine Delle in der Sonne zeugt von dem großartigen Ereignis, das vor kurzem hier vorbei geflogen kam.

Und dann ist auch die Delle weg. Aufbruch, rein in die Busse, noch etwas Chaos, welcher Bus wohin fährt. Die tanzenden Derwische kann man sich abends noch ansehen, aber viele, so auch wir, wollen jeglicher weiterer Energie beraubt nur noch in das Hotel.

Am Abend dann noch etwas mehr Chaos im Hotel. Die Unterlagen zu den Rücktransfers in der nächsten Nacht sind mit dem örtlichen Betreuer zu den tanzenden Derwischen unterwegs und wir wissen erstmal nicht, wann es denn am nächsten Tag heimwärts gehen soll. Das klärt sich im Laufe des Abend und außerdem versöhnt die erfolgreiche Beobachtung der Sonnenfinsternis mit so ziemlich allem.

Schließlich geht es todmüde in’s Bett.

30.3. Noch ein Ausflug

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Wesentlich entspannter gestaltet sich dann der Tag mit der zweiten Tour als Rahmenprogramm. Zum einen sind alle noch in Hochstimmung vom gestrigen Erlebnis und an die kleineren Verspätungen bei der Abfahrt des Busses haben wir uns auch gewöhnt.

Wieder raus aus Konya, diesmal in Richtung Südwesten. Über ländliche Straßen gelangen wir zum Dorf Gökyurt bei Hatunsaray. Vor dem Dorf halten wir an einem Hügel, unter dem der Zeus Tempel des biblischen Lystra vermutet wird. Ausgrabungen sollen demnächst starten, doch im Moment ist es nur ein grüner Hügel in der Idylle des ländlichen Anatolien.

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Das Dorf Gökyurt selbst bietet ein typisches Bild der ländlichen Türkei, ein wirklich drastischer Unterschied zu der modernen Türkei, die sich in den Großstädten, auch so einer konservativen wie Konya, findet.

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Die antike Stadt Kilistra befindet sich am Rande des Dorfes. Charakteristisch sind die gut getarnten Felsaushöhlungen, die darauf hindeuten, dass die Erbauer diese Ansiedlung geheim halten wollten. In dem Areal befindet sich eine kleine Kapelle, Sandikkaya, deren Äußeres und Inneres komplett aus einem einzigen Fels gehauen wurde. Zu biblischen Zeiten besuchte auch Apostel Paulus Kilistra, es ist also wahrhaft historischer Boden, auf dem wir hier wandeln.

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Spaß hatten auch die Kinder der nahe gelegenen Schule, die die Chance nutzen, ihre Englisch-Kenntnisse auszuprobieren.

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Weiter geht es durch das ländliche Anatolien aus der Bergregion Erenler Dagi zurück in die Hochebene von Konya, die dort aller Orten auszumachenden Hügel sind Überreste uralter Siedlungen. Ein solcher Hügel, Çatalhöyük, “die erste Besiedlung der Menschheit”, ist unser Ziel.

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Sicherlich ist das ganze nicht so imposant wie manch antikes Bauwerk an anderen Orten, aber wenn man sich vergegenwärtigt, dass die älteste Siedlungsschicht hier 5500 v. Chr. datiert und bereits Lehmhäuser gebaut wurden, dann wird schnell klar, welch enorme historische und archäologische Bedeutung dieser Ort hat.

Insgesamt türmen sich hier 13 Siedlungsschichten, der Hügel ist also quasi die auf sich selbst gewachsene Stadt.

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Schließlich führt die Busfahrt zurück nach Konya, dort besichtigen wir das zentral in der Stadt gelegenen Mevlana Museum. Unter dem grünen Kegeldach befindet sich das Grab des Philosophen und Theologen Mevlana (1207-1273), der vielen als einer der größten Mystiker des Landes gilt. Und tatsächlich sieht man nicht nur die touristisch orientierten Besucher, sondern auch viele Pilger, die in religiöser Andacht am Grab beten.

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Der kurze Besuch im Museum bietet einen guten Einblick in die islamische Kultur, aus meiner Sicht besonders interessant für einen Besucher aus dem christlich geprägten Europa ist das Fehlen jeglicher bildnerischer Kunst. Statt dessen finden sich imposante Ornamente, die vor allem auf geometrischen Mustern und kalligrafisch ausgestalteten arabischen Schriftzeichen basieren.

Die “Kraft der Bilder” hat hier sicherlich eine ganz andere Bedeutung, was vielleicht erklären mag, warum sich manches Thema perfekt zum “Kampf der Kulturen” instrumentalisieren lässt.

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Bei aller Notwendigkeit, den Gedanken der Aufklärung gegen religiösen Fundamentalismus jeglicher Prägung zu verteidigen, gilt es jedoch ebenso, unsere christlich-westlich zentrierte Weltsicht in ihrer Arroganz zu überwinden und die kulturhistorisch enorm bedeutenden Leistungen der islamischen Welt zu würdigen.

Da das Museum bereits um 17 Uhr schließt, geht es relativ früh in das Hotel zurück.

In Anbetracht der Erfahrungen bei der Ankunft und den hohen Preisen für ein “einzelnes” Abendessen im Hotel bevorzugen wir die örtliche Auswahl der internationalen Fastfood Cuisine im benachbarten Einkaufszentrum.

Und dann bleibt nur noch Warten auf den Rücktransfer zum Flughafen.

Rückreise

Kurz vor 22 Uhr startet ein kleiner Bus mit dem Einsammeln der Mitreisenden und dann sind wir auch schon wieder auf der Straße nach Ankara.

Während der Fahrt gibt es ein wenig Abwechselung mit einem Video von Alexander Birkner von kernschatten.info, das den Himmel direkt senkrecht über unserem Standort während der Sonnenfinsternis zeigt. Erst hier erkennen wir alle so richtig, wie tief schwarz der Himmel direkt über uns tatsächlich gewesen ist. In der seltsamen Dämmerung der Sonnenfinsternis selbst hat man das visuell gar nicht so stark wahrgenommen.

Natürlich fachsimpeln wir eine Menge über die kommenden Finsternisse. Die Sonnenfinsternis am 1. August 2008 in Sibirien ist das nächste Objekt der Begierde, Novosibirsk liegt mitten auf der Zentrallinie …

Erstaunlich, wie der Fahrer es schafft, bei den vielen mobilen Geschwindigkeitskontrollen nicht aufzufallen. Und nach recht rasanter Fahrt sind wir dann um zwei Uhr morgens am Flughafen Ankara. Für den Flughafen der Hauptstadt ein ziemlich bescheidener Ort, um die nächsten zwei Stunden bis zum Abflug zu verbringen, zumindest muss ich beim Rückflug kein Übergepäck zahlen. Dafür sind die Preise in der Cafeteria im Abflugbereich umso imposanter.

Schon sitzen wir wieder im Flieger Richtung Heimat. In München angekommen, nerven zunächst einmal die Kontrollen. Passkontrolle am Ausgang des Flugzeugs, Passkontrolle im Übergang zwischen den Gate-Bereichen, Handgepäckkontrolle in aller Gründlichkeit, offensichtlich nutzt man die Nachtstunden für ein paar Übungen.

Und dann heißt es für unsere Dreiergruppe Abschied nehmen, denn hier trennen sich die Wege. Also hinein in den Business-Flieger zu all den gut gekleideten Menschen im Business-Outfit auf der Jagd nach dem ultimativ wichtigen Termin. Oft genug gehöre ich ja mit dazu, aber diesmal ist es schon ein seltsames Gefühl, völlig übernächtigt mit den frischen Eindrücken der Sonnenfinsternis als einziger quasi Außerirdischer dazwischen zu sitzen.

Schließlich hat mich die Kölsche Erde wieder, das wundervolle Abenteuer der ersten “echten” totalen Sonnenfinsternis ist vorüber. Ist es überhaupt passiert? Mit einem Mal erscheint das, was ich gesehen und auf Fotos fest gehalten habe, völlig irreal.

Ich denke, man braucht vielleicht so vier bis fünf totale Sonnenfinsternisse, bis man das intellektuell vernünftig verarbeiten kann. Ist dann der Zauber vorbei? Ich werde es heraus finden, die Sucht ist geweckt …

Am 1. August 2008 ist es wieder soweit …

Fotos

In Ergänzung zu meinen eigenen Bildern finden sich in diesem Reisebericht auch einige Fotos von Janine Bieker und Frank Klinkermann, siehe die Details zu den einzelnen Bildern. Vielen Dank an Euch.

Anhang

Eine ausführliche Version der Vorgeschichte ist hier zu finden.

Auf der Website von Eclipse Reisen findet sich eine lange Linkliste zu Berichten und Fotos.

Einer interessanter Reisebericht von Matthias Rückemann beinhaltet auch die genaue geografische Position: 38°04’35” Nord, 33°06’57” Ost, 1040m über NN.

Für alle, die es ganz genau wissen wollen, ist das NASA Bulletin: The Total Solar Eclipse of 2006 March 29 die ultimative Referenz.

Die vielleicht besten Bilder der Sofi finden sich beim Meister selbst, MrEclipse aka Fred Espenak.

Zum Thema Islam sei das Essay “Schreckens Männer” von Hans Magnus Enzensberger empfohlen, in einem Zeit-Interview dazu findet sich ebenfalls eine Diskussion. “Kollektive lernen wahrscheinlich nur dann, wenn ihnen nichts anderes mehr übrig bleibt.” Wie wahr …

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