Eclipse 22 Jul 2009 – China

18.7. Ri Quan Shi reloaded

Wie immer war der Ausgangspunkt „Wo ist die nächste?”. Nach der überaus erfolgreichen Sonnenfinsternisbeobachtung am 1. August 2008 in China war die nächste Sonnenfinsternis zunächst nicht auf der Agenda, die Langfristwetterprognosen sind mit 50 % Wahrscheinlichkeit für wolkenfreien Himmel an Chinas Ostküste nicht wirklich gut.

Aber schnell kam der Gedanke, ob nicht vielleicht doch … schließlich ist die 2009er Sofi mit über 6 Minuten Dauer die längste in diesem Jahrhundert, erst 2132 gibt es eine dann noch etwas längere. Da kann man eigentlich auch schlechtes Wetter riskieren. Schnell war der Entschluss gefasst, im Juli 2009 doch einen „kleinen” Ausflug nach Shanghai zu machen.

So sind wir wieder unterwegs auf dem Flug nach China, zunächst zwei Tage in Shanghai selbst, dann für die Sofibeobachtung zwei Tage in Jinshan direkt an der Küste etwas südlich von Shanghai. Nicht ganz auf der Zentrallinie, aber nah genug dran, 5 Minuten 53 Sekunden Totalität werden erwartet.

Gen Mitternacht, über den Wolken nördlich von Moskau, geht der erste Tag zu Ende.

19.7. Ankunft in Shanghai

Nach einer unbequemen Nacht mit etwas Ruhe in der Holzbankklasse, aber immerhin eines modernen A340-600, kommen wir am gefühlten Morgen, der hier aber schon ein ausgewachsener Mittag ist, in Shanghai an.

Vervollständigt um Michael, mit dem wir uns als Minireisegruppe zusammen getan haben, und Silvia geht es dann am Nachmittag mit dem Maglev, bei uns bekannter als Transrapid, in die Stadt hinein und dann mit dem Taxi zum Hotel, abenteuerlicher Fahrstil inklusive.

In Shanghai ist es hochsommerlich heiß und sehr feucht. Insgesamt einigermaßen bewölkt und die Sonne zeigt sich nur gelb-milchig zwischen den Wolken. Die Erwartungshaltung für Mittwoch wäre da eine andere.

Abendessen gibt es in „japanistischer” Ausführung, sehr lecker in der „all you can eat” Variante. Einen kurzen Ausflug zum Bund brechen wir ab, weil die komplette Uferpromenade in eine abgezäunte Großbaustelle verwandelt wurde und leider kein Blick auf die Pudong-Skyline möglich ist. Die Expo 2010 wirft in Shanghai ihre Baustellen-Schatten voraus.

Zurück im Hotel treffen wir noch einige andere Sonnenfinsternisverrückte, darunter auch unverhofft Fedde von unserer letzten Tour.

20.7. Tour durch Shanghai

Ein kompletter Tag noch zum Erkunden von Shanghai, den wir am Morgen zunächst zum Shopping nutzen. Das Shanghai World Financial Center auf der Pudong-Seite ist das erste Ausflugsziel und bietet mit den drei Aussichtsebenen einen fantastischen Blick auf das Häusermeer für über 18 Millionen Menschen. Das ganze bei bestem Wetter mit viel Blau am Himmel und Sonnenschein.

Der Nachmittag gehört dem Volksplatz, interessanter noch als die architektonisch ausgefallenen Gebäude rings herum sind die Hochstraßen, die Yanan Hochstraße und die Nanbei Hochstraße, die sich mehrstöckig kreuzen. Mit Pflanzkübeln am Fahrbahnrand!

Die Abend verbringen wir wieder in Pudong, mit weiteren Finsternisjägern aus Spanien und Deutschland China-stilgerecht ;-) im Paulaner-Biergarten bei einem Hefeweizen, dazu das passende Essen und die Bund-Skyline im Sonnenuntergang. Und danach mit letzter Kraft in der extrem schwülen Abendluft auf den Oriental Pearl Tower, nicht so hoch wie das SWFC, aber mit einem unverstellten Blick auf den Huangpu-Fluss, das nächtlich beleuchtete Shanghai und den Abgrund unter dem Glasboden einer der Aussichtsplattformen.

Noch eine Nacht in Downtown Shanghai, dann geht es morgen nach Jinshan. Und so schön das Wetter heute auch war, die Wettervorhersage für Mittwoch ist katastrophal schlecht, ein Wolkenband soll von Norden kommend über Shanghai legen, mit einer Regenwahrscheinlichkeit von 85 bis 100 %. Soweit so schlecht, wir werden sehen, ob sich das morgen mit erstem Regen bestätigt.

21.7. Das Wetter

Am Morgen geht es raus aus Shanghai, trotz einiger Staus sind wir relativ schnell über die Autobahn A4 gegen Mittag in Jinshan angelangt. Zunächst alles noch bei bestem Wetter, zumindest die allgemeinen Wettervorhersagen mit Regen bereits zum Mittag scheinen sich nicht ganz zu bestätigen.

Im Ramada Sino Bay Hotel treffen wir dann wieder mit Silvia zusammen und natürlich gilt der erste Blick den Wetterprognosen im Internet, etwas Hoffnung keimt auf, da sich die Wahrscheinlichkeiten für den Finsternistag etwas verschieben und Regen nicht mehr ganz bei 100 % liegt. Das Satellitenbild zeigt einen Wolkenstreifen, der sich mittlerweile über Jinshanwei breit gemacht hat, aber auch ziemliche Dynamik und große Lücken, vielleicht klappt es mit etwas Glück morgen ja doch.

Für den Fall der Fälle organisieren wir uns einen Wagen mit Fahrer, um mobil zu sein und ggf. örtlich ausweichen zu können, falls auf den Satellitenbildern morgen früh bessere Aussichten nördlich oder südlich zu erkennen sind.

Zum Abendessen werden wir vom Reiseveranstalter in das Seagull Hotel verfrachtet, warum auch immer. Aber wie der Zufall es will, treffen wir dort Jörg und Nicole, die Sonnenfinsterniswelt ist halt doch klein. Auf dem Weg dorthin fängt es bereits an zu regnen, später am Abend sogar ziemlich heftig, volles Programm mit Gewitter.

Jetzt kann man nur noch hoffen …

22.7. Finsternis

Der nächste Tag beginnt zeitig, um 5 Uhr morgens sichten wir die aktuellen Satellitenbilder. Leider ist das Geschehen für die möglichen Standorte südlich von Shanghai ziemlich uneinheitlich, die Wolkenformationen haben sich über Nacht ständig verändert, bessere Gebiete als Jinshan lassen sich nicht ausmachen.

Nach einem zeitigen Frühstück keine Veränderung, eine wabernde Wolkensuppe. Wir entscheiden, dass es keinen Sinn macht, weiter in Richtung Hangzhou nach Süden zu fahren.

Und als sich trotz starkem Dunst die Sonne in ersten Wolkenlücken zeigt, machen wir uns berechtigte Hoffnung, doch den einen oder anderen Blick während der partiellen und totalen Phase ergattern zu können.

Die erste Idee eines Aufbaus auf einem der Balkone geben wir wieder auf, weil die Sonne am Ende der Sofi doch recht hoch stehen wird. Also raus zusammen mit den anderen Sonnenfinsternishungrigen in den kleinen Park vor unserem Hotel. Extrem schwül, mit noch mehr Luftfeuchtigkeit durch einen Teich, aber in direkter Reichweite. Unser Aufbau mit zwei Stativen, Michaels Montierung mit zwei Teleskopen, meinem bewährten 300 mm Tele + 1.4x Extender, unseren beiden 40D samt zwei Laptops zur Steuerung mit Eclipse Orchestrator, der ganzen Verkabelung und noch weiteren Kameras sorgt schon für Aufsehen.

Zunächst zeigt sich die Sonne öfter in Wolkenlücken und die partielle Phase beginnt um 0:23 UT, 8:23 Ortszeit. Aufnahmen sind problematisch, da ohne Filter die Sonne zu hell, der normale Foliensonnenfilter aber zu dunkel ist. Eine vernünftige Aufnahme gelingt schließlich ohne Filter, mit ISO 100, Blende 8 und 1/8000 s. Und das Belichtungsprogramm während der partiellen Phase ist natürlich Makulatur, es gilt manuell die Wolkenlücken zu erwischen.

Ab ca. 25 % Bedeckung macht sich die Sonne sich rar und Wolkenlücken tauchen kaum noch auf, erst später noch einmal für eine schmale Sichel. Umso größerer Beliebtheit erfreut sich die simulierte Darstellung von Eclipse Orchestrator, können sich doch so Besucher und Einheimische ein Bild davon machen, was hinter den Wolken passiert.

Während der partiellen Phase kühlt es deutlich ab und schließlich wird die Temperaturlage regelrecht angenehm. Einige Minuten vor Totalität fängt es dann aber an zu regnen! Deja vu von 1999? Aber glücklicherweise hört der Schauer nach kurzer Zeit wieder auf.

Dann wird es schnell dunkler und dunkler. Um 1:36 UT, 9:36 Ortszeit beginnt die Totalität. Aber kein Diamantring, kein Perlschnureffekt, keine Korona, die Sonne ist unsichtbar hinter den dichten Wolken.

Die Dunkelheit wird stärker, aber keine Wolkenlücke ist in Sicht. Zur Mitte der Finsternis um 1:39 UT, 9:39 Ortszeit ist es stockfinster, viel dunkler, als ich es von vergangenen Finsternissen in Erinnerung habe. Im weiteren Verlauf zeigt sich in Richtung Süden ein rötlicher Schein am dunklen Himmel, aber keinerlei Wolkenlücken für einen Blick auf die Korona.

Schließlich wird es wieder erst langsam, dann schlagartig heller, als um 1:42 UT, 9:42 Ortszeit das Licht wieder eingeschaltet wird. Dauer der Totalität an unserem Standort war 5:50 min. Weitere Wolkenlücken? Fehlanzeige.

Wir warten noch ein Weilchen, vielleicht lässt sich durch eine Wolkenlücke eine hübsche partielle Sichel fotografieren. Doch dann fängt es wieder an zu regnen und einige Minuten später schüttet es regelrecht. Die Gewitterfront hat uns erreicht, also kam die Abkühlung nicht nur durch die Finsternis, sondern auch durch das aufziehende Gewitter. Unter größerer Mühe, mit Hilfe anderer Sonnenfinsternisjäger und des Hotelpersonal schaffen wir es, die Gerätschaften mit Regenschirmen und einer Mülltüte zu schützen und dann im Sprint in die Hotellobby zu bringen. Patschnass werden wir dabei, die dabei absolvierten Stunts dürften sich in dem einen oder anderen Erinnerungsfoto wiederfinden.

Das war es dann mit der Finsternisbeobachtung, zunächst einmal ist eine heiße Dusche das wichtigste. Vom Balkon des Zimmer noch einmal einen Blick auf den dunkelgrauen Wolkenhimmel, Lücken wird es hier nicht mehr geben. Um 3:01 UT, 11:01 Ortszeit ist hinter den Wolken das Ende der Sonnenfinsternis erreicht, der Drache hat die Sonne wieder ganz freigegeben.

Frustrierend ist es schon, dass so wenig zu sehen war. Deja vu von 1999? Definitiv.

Das Mittagessen findet in einem lokalen chinesischen Restaurant ca. 20 Busminuten von unserem Hotel entfernt statt. Das Arrangement kennen wir bereits von früheren Touren mit Eclipse-Reisen, lecker und essbar, aber eher in der Kategorie günstig einsortiert. Zurück im Hotel, sind wir ziemlich froh, dass unsere Kurzreise diesmal keine mörderischen Bustouren beinhaltet.

Bilder des Finsternistages wollen jetzt versorgt werden und das kleine, mit meiner LX3 aufgenommene Video von 10 min um die Totalität herum entpuppt sich als Kleinod, zum einen weil hier die tiefe Dunkelheit wirklich gut sichtbar wird und zum anderen durch die Tonspur. („Scheiße.” – „SCHEISSE!” ;-)

Ende des Abends im Hotelrestaurant und der Hotelbar, nicht ohne zwischen drin noch eine Panoramaaufnahme des uns umgebenden Chemieparks zur blauen Stunde zu machen.

Fazit? Mist. Andere Gruppen im für uns kurzfristig unerreichbaren Wuhan, aber auch in Hangzhou und sogar Wuzhen hatten mehr Glück und passende Wolkenlücken zur Totalität.

23.7. Rückreise

Mit einem gemütlichen Frühstück beginnt der letzte Tag in China. Nach dem Trubel am 22. sind wir jetzt fast die einzigen Europäer im Hotel. Dass es trotz leichter hoher Bewölkung jetzt relativ sonnig aussieht, ist verglichen mit dem Vortrag wieder frustrierend.

Na ja, was soll es, letzte Sachen werden gepackt und dann geht es retour zum internationalen Flughafen von Shanghai. Am Flughafen treffen wir Silvia, die bereits am Vorabend wieder nach Shanghai aufgebrochen ist, sowie auf Jörg und Nicole, die im Seagull Hotel Jinshan auch nicht mehr Glück hatten. Jörg (solar eclipse chaser extraordinaire ;-) hat bei der Sicherheitskontrolle größere Probleme mit einer Batterie, die nach längerer Diskussion in China bleiben muss.

Über eine Stunde verspätet geht es auf den Weg zurück über Frankfurt, in einer 747 älteren Datums mit katastrophal geringem Sitzabstand in der Holzbankabteilung. Während des Fluges boten die gewaltige Ausdehnung der Wüste Gobi und später die Donnerköpfe der Gewitter über Polen einen imposanten Anblick.

In Frankfurt trennen sich die Wege. Michael weiter nach Hannover, wir mit der Bahn nach Köln. Nach über 19 Stunden Reise kommen wir ziemlich erledigt in den heimischen Gefilden an.

Nachlese

Wenn es um Jahrhundertereignisse geht, scheint die Beobachtung von Sonnenfinsternissen beim Autor dieser Zeilen vom Pech verfolgt, wie schon 1999 so nun auch 2009. Ein gewisser Ausgleich ist, dass wir die Sofi am 1. August 2008 unter so perfekten Bedingungen beobachten und fotografieren konnten. Und so rückt die nächste totale Sonnenfinsternis in den Fokus, am 11. Juli 2010 auf der Osterinsel ist bei den Kosten eher etwas für Hardcore-Sonnenfinsternisjäger, aber am 13. November 2012 in Australien sind wir bestimmt wieder mit dabei.

Im Folgenden eine kleine Zusammenstellung von Links zu Bildern anderer Beobachter der Sofi 2009 in China.

Und noch mehr Fotos bei den üblichen verdächtigen Sites:

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