Aus einer Reihe von Vergleichsmessungen mit kurz und langbelichteten Flats und entsprechenden Darks lassen sich neue Werte für den “Gain” bei den verschiedenen ISO-Stufen der Canon 5D Mark II ableiten:
ISO 200: 2,37 e-/ADU
ISO 400: 1,17 e-/ADU
ISO 800: 0,58 e-/ADU
ISO 1600: 0,30 e-/ADU
Die Werte sind etwas höher als die aus der Regressionsgeraden abgeleiteten. Unity Gain, d.h. 1, ist aber immer noch bei ca. ISO 400.
Aber erst mal etwas Hintergrund …
Ein CMOS-Sensor (wie in den Canons) oder ein CCD-Sensor basiert auf dem inneren photoelektrischen Effekt in Halbleitern. Durch die Energie der Photonen werden Elektronen aus dem Valenz- in das Leitungsband gehoben. Die Elektronen entladen die Sperrschichtkapazität einer Fotodiode (CMOS) oder die sammeln sich in einem Potentialtopf, der “Well” (CCD).
Jedes Photon mit genügend Energie erzeugt mit einer gewissen Ausbeute, der Quanteneffizienz (QE), jeweils ein Elektron. Damit ist dies statistisch ein Ankunftsprozess, der der Poisson-Verteilung unterliegt. Die Zahl der pro Zeiteinheit (Belichtungszeit) gemessenen Photonen bzw. Elektronen ist Poisson-verteilt.
Insbesondere ist bei einer Poisson-Verteilung der Mittelwert gleich der Varianz! Damit können wir messen und rechnen, denn leider finden sich die astrofotografisch interessanten Kenndaten nicht in den Canon-Handbüchern.
Elektronen werden übrigens nicht nur durch Photonen erzeugt (Fotostrom), sondern auch durch thermische Prozesse (Dunkelstrom). Auch dieser Dunkelstrom unterliegt einer Poisson-Verteilung.
In der Kamera werden die gemessenen Spannungen verstärkt und über einen Analogdigitalkonverter digitalisiert. Und genau dieser Verstärkungsfaktor ist hier von Interesse, typischerweise als “Gain” bezeichnet und in Elektronen pro Analog-Digital-Unit angegeben (e-/ADU).
Für eine Flat-Belichtung ergibt sich damit:
E = Signal / e-, A = Signal / ADU, DC = Dunkelstrom / e-, G = Gain / e-/ADU, der BIAS ist ein von der Kamera hinzugefügter Offset, um zu verhindern, dass durch das beim Auslesen entstehende elektronische Rauschen (Read out noise, N_RO) die ausgelesenen Werte in den quasi negativen Bereich schwanken würden.
Bei der Betrachtung der Varianz muss dieses Ausleserauschen berücksichtigt werden:
Mit entsprechenden Bias-Belichtungen (minimale Belichtungszeit) lassen sich der Bias-Wert und dessen Varianz messen, in diesem Fall sind die Beiträge des Flat-Signals und Dunkelstroms zu vernachlässigen. Ergebnisse siehe Excel-Tabelle oben.
Der Bias-Wert für die 5D Mark II liegt unabhängig von ISO-Einstellung und Temperatur bei ca. 1024.
Bei kurzen Flat-Belichtungen kann der Dunkelstrom ebenfalls vernachlässigt werden. Damit ergibt sich in der Summe:
Umgeformt kann aus diesen Werten der Faktor G ermittelt werden:
Die so berechneten Werte finden sich in Spalte “short exp.” der Tabelle.
In der Analyse der langen Flat-Belichtungen können wir den Dunkelstrom nicht mehr vernachlässigen und müssen die Darks (gleiche, lange Belichtungszeit, aber kein Licht) betrachten. Dabei zeigt sich, dass die Kamera in der internen Verarbeitung bereits den Dunkelstrom subtrahiert.
Der Mittelwert von Darks ist bei der 5D Mark II auf den Bias-Wert 1024 “festgenagelt”.
Vereinfacht ergibt sich damit für die langen Flat-Belichtungen und die Darks:
Auch das lässt sich umformen, um G zu ermitteln:
So berechnet ergeben sich die Werte in Spalte “long exp.” der Tabelle.
Beide zeigen eine gute Übereinstimmung, als Modellwerte “result” werd daher die Mittelwerte verwendet. Diese zeigt auch “rückwärts” gerechnet eine gute Übereinstimmung mit den Messwerten.
Die von Craig Stark in seinem Artikel “Profiling the Long-Exposure Performance
of a Canon DSLR” beschriebene Abhängigkeit des gemessenen Gain von der Belichtungsdauer konnte ich daher nicht nachvollziehen.
Im alten Blog-Beitrag wurde seinerzeit statt der Einzelberechnungen wie vorgestellt eine Regressionsgerade Mittelwert/Varianz über (kurze) Belichtungen mit den Abstufungen (entsprechend Anzeige Belichtungsmesser) -2, -1, 0, +1, +2, +3 berechnet. Die entsprechenden G-Werte in der Spalte “regression” sind deutlich geringer und passen nicht in der Rückwärtsrechnung. Bei genauerer Betrachtung liegt dies daran, dass die Geraden ab ca. 4.000 ADU abflachen.
Die 5D Mark II weist ab ca. 4.000 ADU, entsprechend einer Belichtungsstufe von ca. +1, leichte Nichtlinearitäten auf. Flats sollten daher nicht über Belichtungsstufe +1 liegen, am besten den Histogramm-Peak in die Mitte legen.
Aus der Bias-Varianz kann man mit dem jetzt bekannten Gain auch das Ausleserauschen ermitteln:
Verglichen mit den Werten für das Ausleserauschen von sensorgen.info zeigt sich eine einigermaßen gute Übereinstimmung, mit hier ermittelten geringeren Werten bei niedrigeren ISO-Einstellungen. Umgekehrt kann aus den sensorgen.info-Daten auch den entsprechenden Gain ausrechnen, der dann höher ausfällt.
Ein weiterer Vergleich mit den Ergebnissen von Lorenzo Comolli “Testing Canon 5Dmk2: gain and read noise” zeigt deutliche Abweichungen bzgl. Gain und Ausleserauschen. Allerdings verwendet er die Methode der Regressionsgerade, die aus meiner Sicht keine stimmigen Ergebnisse liefert. Bei genauer Betrachtung der Diagramme auf seiner Seite kann man erkennen, dass die Messpunkte oberhalb von 5.000-6.000 ADU nach oben abweichen.